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Expertenrunde

Bambini versus Mittzwanziger – gleiche Fragen, gleiche Antworten?

(BJH) Was wird aus den Träumen derer, die mit dem Fußballspielen anfangen? Werden sie wahr? Verändern sie sich gar? Ist es erstrebenswert, Fußballprofi zu werden? Diese Fragen haben mich angetrieben, Beginner sowie einen erfahrenen Spieler zu befragen. 


Noah und Luke – „Was wir gar nicht können, ist Torwart!“

Noah ist 6, Luke 5, beide verlassen nun die Bambinis und spielen in der F-Jugend weiter.

Warum spielt Ihr Fußball?

Luke: „Weil es uns viel Spaß macht. Wir trainieren deshalb oft, wollen auch hoch kommen, zum KSC oder so.“

Wollt Ihr mal Fußballprofis werden oder habt Ihr andere Berufswünsche?

Luke: „Ich könnte mir vorstellen, auf der Baustelle zu arbeiten.“

Noah: „Das könnte ich mir auch vorstellen.“

Zwischenfrage: Was wäre besser? Fußballprofi oder auf der Baustelle arbeiten?

Beide antworten sofort und laut: „Fußball!“ Luke fügt an, dass er das eben schon lange mache, das kann Noah nur bestätigen. Sie sprechen also beide von Berufserfahrung, die sie im Fußball schon haben, auf der Baustelle aber nicht.

Wie stellt Ihr Euch das Leben als Fußballprofi vor?

Luke: „Gut! Dass wir trainieren und Tore machen.“

Noah: „Mehr Tore als jetzt, das stelle ich mir schon vor. Du auch, Luke?“

Luke: „Ja, leider haben wir bisher noch nicht so viele Spiele gewonnen.“

Zwischenfrage: Was glaubt Ihr, warum habt Ihr noch nicht so viele Spiele gewonnen?

Noah: „Die anderen waren größer.“

Luke: „Ja, das war unfair.“

Noah: „Aber wir haben auch mal ein ganzes Spiel gewonnen.“

Luke erzählt, dass er zu Hause immer im Garten kickt. Noah fügt an, dass er das nicht darf, weil er und seine Geschwister immer in das Gemüsebeet seiner Mutter schießen. Beide berichten, dass sie in ihrer Freizeit oft auf die Wilde Düne oder das Mini am Edeka gehen, wobei sie die Wilde Düne bevorzugen, da das Mini schon ziemlich kaputt sei.

Was ist für Euch das Schönste am Fußball?

Luke: „Tore schießen. Spaß haben mit dem Ball und trainieren.“

Noah: „Manchmal finde ich es witzig, wenn andere Kinder versuchen den Ball zu holen. Du weißt doch, Luke, wie ich den einen immer austrickse: ich spiele den Ball auf eine Seite, er läuft vorbei, dann spiele ich auf die andere Seite und er läuft in die falsche Richtung.“

Was gefällt Euch nicht?

Noah: „Wenn unsere Teamkollegen gefoult werden.“

Luke: „Foul ist doof, da gibt es gleich 'ne rote Karte.“

Noah fügt an, dass es erst eine gelbe Karte gibt, Luke erklärt, dass es im Handball sogar blaue Karten gibt.

Ihr wisst ja, dass es verschiedene Positionen gibt im Fußball wie zum Beispiel Torwart, Stürmer, Verteidiger – welche Position möchtet Ihr gerne spielen?

Luke: „Kapitän!“

Noah: „Stürmer.“

Luke beharrt auf seine Position als Kapitän, erwähnt aber, dass er diesen Job gerne im Mittelfeld ausführen würde.

Noah: „Was wir gar nicht können, ist Torwart.“

Habt Ihr einen Lieblingsverein?

Luke: „Werder Bremen. Ich schaue gerne Bundesliga.“

Noah: „KSC.“

Warum spielen die Deutschen nicht mehr so erfolgreich Fußball?

Noah: „Die trainieren zu wenig.“

Luke erklärt mir das Spiel von Deutschland gegen die Ukraine. „Die Deutschen stehen vor dem Tor und vermasseln es!“

Noah: „Manchmal überlegen die einfach zu lange.“

Noah und Luke sind sich einig, im Fußball muss man schnell sein. Auch im Kopf.

Ein ehemaliger Profi – Neven Subotic* - hat ein Buch geschrieben mit dem Titel ALLES GEBEN. Was bedeutet das im Fußball?

Luke: „Dass man ganz viele Tore schießt“

Noah: „Dass man so gut spielt, wie man kann.“




Simon Punge - Füreinander miteinander kämpfen

Simon hat mit Ende 5, Anfang 6 hier in Friedrichstal das Kicken begonnen, mit 11/12 war er eine Saison in Hoffenheim und beim KSC, kehrte aber wieder zum FCG zurück.

Warum spielst du Fußball?

„In Deutschland ist das die Sportart. Ich habe auch andere Ballsportarten ausprobiert, recht lange Beachvolleyball gespielt, aber Fußball ist und bleibt meine Nummer eins, auch, weil es ein Mannschaftssport mit Körperkontakt ist.“

Wolltest du mal Fußballprofi werden?

„Ja. Im Vergleich zu anderen hatte ich aber nie den letzten Biss. Ich dachte nie, dass ich das machen muss, selbst in der Zeit bei Hoffenheim und beim KSC nicht. Meinen Eltern bin ich noch heute dankbar, dass sie sehr bodenständig waren, was das Thema betrifft. Häufig sind es die Spielereltern, meistens die Väter, die wollen, dass ihr Kind Profi wird, ohne zu fragen, ob das Kind das auch möchte. Meine Hoffenheimzeit war megacool, der Trainer konnte mit Kindern umgehen. Beim KSC gefiel mir der Druck, den ich in meinen jungen 12 Jahren spürte, nicht. Die Trainer fassten einen nicht mehr mit Samthandschuhen an. Das war nichts für mich, ist aber absolut in Ordnung so.“ 

Wie gestaltet sich dein Leben als Fußballspieler im Nebenberuf?

„Im Moment kann ich das gut jonglieren, ich studiere auf Lehramt an der pädagogischen Hochschule und hoffe, dass ich demnächst hier ins Referendariat komme, um in Friedrichstal weiterkicken zu können. Man muss auch ehrlich sein, in keiner anderen Sportart wird man in Deutschland als Hobbysportler so gut bezahlt wie im Fußball.“

Einwurf BJH: Als Mann!

Simon stimmt zu.

„Mir macht es einfach Spaß, ich fühle mich hier heimisch, meine Eltern wohnen hier.“

Zwischenfrage: Denkst du auch mal, was wäre gewesen, wenn?

„Ja, klar, aber wenn ich an meine Zeit beim KSC und Hoffenheim denke - ein Superjahrgang damals die U12, U13 – davon hat es keiner geschafft. Da gehört außer Können eine Menge Glück dazu. Ich bin absolut glücklich mit meiner Situation, Bundesligaprofi wäre ich nie geworden.“

Was ist für dich das Schönste am Fußball?

„Das Mannschaftsgefühl. Freunde, Menschen, die Einzelsportarten wie Leichtathletik betreiben, berichten, dass ihnen genau das fehlt – füreinander miteinander kämpfen. Auch wenn man im Team spielt - mir hat damals im Beachvolleyball der Körperkontakt gefehlt. Fußball ist ein Kontaktsport, das gefällt mir.“

Was gefällt dir nicht?

„Die Entwicklung in den letzten Jahren, die irren Summen, die gezahlt werden – das steht in keinem Verhältnis mehr.

Außerdem mangelt es leider an Respekt sowohl den Mitspielern, als auch den Gegenspielern und dem Schiedsrichter gegenüber. Da könnte man sich beim Rugby viel abschauen. Absolute „Tiere“ gehen sehr fair mit dem Schiri um.

Schlimm sind auch die Schwalben, die schon dazugehören. Man ist ja schon fast selbst schuld, wenn man das nicht macht.“

 

„Ich hasse es, wenn Spieler bewusst hinfallen und lange liegen bleiben. Es gibt so viele Sportarten, die härter sind als Fußball. Aber beim Fußball bekommt man permanent das Gefühl, als würden Spieler auf dem Platz von Lastwagen überfahren." (Neven Subotic) *

Welche Position wolltest du gerne spielen? Welche Position spielst du heute?

„Zentrales Mittelfeld. Mein Vater hat schon immer gesehen, dass ich der Ballverteiler bin. Ich war nie der Schnellste, kann gut dribbeln und Steckpässe spielen. 8er oder 10er Position eben. War immer so und ist noch heute so."

Hast du einen Lieblingsverein?

„Ich mochte die Ära bei Barcelona mit Tiki Taka, Iniesta, Busquet, Schabi, Messi. Für Spiele mit diesen Größen  bin ich manchmal länger aufgeblieben. Und ich verfolge alle Championsleaguespiele. Das Niveau steigt von Runde zu Runde, da macht das Zuschauen Spaß."

Warum spielen die Deutschen nicht mehr so erfolgreich Fußball?

Man hat den Sprung verpasst von „Im-System-spielen“ hin zu „Auf-Individualität setzen“, einfach mal dieses Straßenkickerfußball zu spielen, unkonventionell paar Leute stehen lassen. Ich finde krass, dass strikt Querpässe, Querpässe, Querpässe gespielt werden, anstatt auch mal ins Dribbling zu gehen. Der Moment, Richtung gegnerisches Tor anzuziehen, wird verpasst."

Zwischenbemerkung BJH: Das hört man von den NLZs, dass alle streng ihre Positionen spielen (müssen).

Der ehemalige Profi Neven Subotic* hat das Buch geschrieben mit dem Titel ALLES GEBEN. Hast du das Buch gelesen?

Nein."


„Wenn ich mein Leben, wie ich es jetzt führe, mit dem vergleiche, wie es während meiner besten Zeit bei Borussia Dortmund war, wenn ich an die Autos denke und das große Haus, wenn ich die Figur sehe, die wie in einer Reality TV-Show genau das liefert, was von ihr erwartet wird, empfinde ich Scham, dass ich diese Figur war, und ich spüre, dass es nie wieder passieren darf. Nie wieder will ich so abdriften. Nie wieder auf diese Weise mein Geld verdienen, meine Zeit und meine Gedanken verschwenden.“ (Neven Subotic)*

Bei mir bleibt nach dem Interview mit den Kleinen und dem Großen das Wort Spaß hängen. Oft höre ich es, wenn es um Fußball geht. Aber ehrlich gesagt sehe ich genauso oft Gegenteiliges. Möge dieses Interview dazu beitragen, dass sich alle den Spaß ins Gedächtnis rufen, den Fußball bringen sollte. Vielleicht fehlt genau das der Nationalelf.

Das Schlusswort überlasse ich Simon:

„Ich hoffe, dass alle dem FCG die Treue halten. Das ist ein toller Verein mit guter Jugendarbeit. Die Jugendarbeit muss man hervorheben, weil das so bei anderen Verbandsligisten im Herrenbereich gar nicht der Fall ist, aber die haben dann halt einfach die finanziellen Mittel, die der FC vielleicht nicht in der Form hat.“

*Neven Subotic, Alles Geben – Warum der Weg zu einer gerechten Welt bei uns selbst anfängt. Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-00233-1