Birgit Jennerjahn-Hakenes (BJH) im Interview mit Amber Blust, die 2017 in die Auswahl Mittelbaden kam, seit 2019 als Gastspielerin bei der U-14 der TSG Hoffenheim kickt und seit 2020 in der Baden-Auswahl spielt.
Ambers Weg von der Wilden Düne über den FC Germania Friedrichstal nach Hoffenheim
1. Wie oft bist du schon gefragt worden: „Wie bist du zum Fußball gekommen?“
Früher alle 3,4 Wochen. Zu Beginn fand ich das noch cool, weil ich so mit anderen ins Gespräch kommen konnte. Aber irgendwann war mir diese Frage lästig. Meist haben Trainer oder Eltern meine Eltern angesprochen. Mit dem zweiten Jahr D-Jugend, als ich nach Hoffenheim gegangen bin, hat das nachgelassen.
2. Du hast mit 4 Jahren beim SV Staffort das Fußballspielen im Verein angefangen, 2014 nach einem Spiel gegen Friedrichstal wollte man dich abwerben. Erinnerst du dich daran? Dein Wechsel erfolgte erst 2017 zur E1.
Davon habe ich tatsächlich nichts mitbekommen. Was ich erinnere: eines Morgens kam mein Vater zu mir und sagte, dass wir jetzt häufiger trainieren gehen. Oft waren wir in Friedrichstal auf der Wilden Düne. Dann sahen wir uns ein Spiel in Friedrichstal an, eine Woche danach stand ich zum Probetraining auf dem Platz. Drahtzieher damals war Michael Jung (ehemaliger Trainer beim FCG – Anmerkung der Redaktion), der bei uns in der Straße wohnt. Meine Eltern haben das mehr oder weniger für mich eingefädelt, weil sie gemerkt haben, dass Fußball mein Ding ist.
3. Welche Position spielst du, welche Position findest du am coolsten?
AV und 6er, das sind auch tatsächlich meine Lieblingspositionen, beides macht mir mega Spaß. AV war zuerst da, in der D-Jugend durfte ich bei Torsten Arnold auf die 6, die ich damit für mich entdeckte.
4. Wie oft trainiert du?
Montags bekommen wir von Hoffenheim einen individuell gestalteten Heimplan mit Lauf- und Athletiktraining, dienstags und mittwochs bin ich in Hoffenheim und donnerstags in Friedrichstal.
5. Ist der Heimplan so eine Art Hausaufgabe? Musst du „Beweise“ liefern, dass du z. B. gelaufen bist?
Nein, das läuft in Eigenverantwortung. Wenn man es nicht macht, merkt man, dass man in der Mannschaft hinten abfällt.
6. Wie vereinbarst du das mit der Schule?
Ich mache G9, das geht. In der Schule sind alle sehr rücksichtsvoll.
7. Du darfst dir aussuchen, bei welcher Profimannschaft du spielst, wo gehst du hin?
Barcelona. Von dieser Mannschaft war ich schon immer begeistert.
8. Was schätzt du an deiner Mannschaft?
Was Hoffenheim betrifft, schaffen wir es, trotz Konkurrenz, eine ziemlich gute Mannschaft - ein Team - zu sein. Da herrscht ein starkes Miteinander, keiner wird ausgeschlossen. Der Jugendkoordinator ist der, der sehr hinterher ist, dass man ausschließlich mannschaftsdienlich agiert. Das wird in Hoffenheim sowieso groß geschrieben, auch zwischen den Mannschaften läuft das gut.
In Friedrichstal habe ich nicht den ganz großen Konkurrenzkampf, ich spiele unglaublich gerne hier. Für mich ist das entspannter als in Hoffenheim. Man wird nicht gleich geköpft, wenn man mal einen Fehler macht. Aber dennoch spielt man auf einem sehr hohen Niveau. Das macht irre Spaß. Und obwohl es so locker ist, herrscht Disziplin auf dem Platz. So empfinde ich es.
9. Welche Weltfußballerin/welchen Weltfußballer würdest du gerne tunneln?
Jule Brand. Ich durfte sie in Hoffenheim relativ gut kennenlernen, aber auf dem Platz stand ich leider noch nicht mit ihr.
10. Wie sieht es mit der Gleichberechtigung aus? Um es absichtlich pauschal, plakativ und provokativ zu formulieren: Bei Spielen der männlichen Jugend backen und verkaufen Spielermütter Kuchen, Spielerväter schauen ihren Jungs zu und schimpfen auf den Schiedsrichter. Wie ist das, wenn die weibliche Jugend kickt?
In Hoffenheim geht es definitiv viel härter neben dem Platz zu als in Friedrichstal. Die Väter sind sehr „engagiert“. Kommentare, den Schiedsrichter oder die Gegner betreffend, sind deutlich böser als ich es von Friedrichstal kenne. Das liegt sicher am Konkurrenzkampf zwischen den Vereinen. Mütter erlebe ich sehr „bemüht“, ihre Kinder gut dastehen zu lassen.
11. Du kennst beides: Kicken mit Jungs, Kicken mit Mädchen - Was macht für dich den Unterschied?
Bei den Mädchen wird der Konkurrenzkampf eher nicht im Spiel ausgetragen, das läuft verbal ab. Mädchenfußball ist langsamer, weniger körperlich. Das Niveau, das wir mit der C-Jugend in Friedrichstal haben, grenzt definitiv an unsere Hoffenheimer U20 und nicht an unsere U17-Mannschaft. Allgemein hat der Jungsfußball in Deutschland ein höheres Niveaus als der Mädchenfußball. Jungs spielen schnell, im Mädchenfußball läuft Vieles über Taktik, es gibt häufiger Systemwechsel. Es gibt bei den Mädchen oft Verletzte, das ja, aber ich persönlich würde sagen, Mädchen und Frauen laufen meist länger und weiter. Ich glaube, Mädchen sind härter im Nehmen.
12. Angenommen, du dürftest eine Fußballregel erfinden und einführen oder abschaffen, welche wäre das?
In Hoffenheim wird schon Zeitspiel gepfiffen, wenn man für einen Einwurf den Ball noch holt. Das finde ich zu streng, in dem Fall würde ich Zeitspiel pfeifen gerne abschaffen.
13. Training und Spiele sind auch anstrengend, wie motivierst du dich, wenn es mal nicht rund läuft?
Ich blicke zurück auf das, was ich schon erreicht habe und denke an das, was ich noch erreichen möchte. Das Training funktioniert nicht, wenn man unmotiviert ist. Dann kommt man auch nicht in den Kader am Wochenende, aber genau da will man ja hin.
14. Welchen Tipp hast du für AnfängerInnen/Bambinispieler?
Ich würde weitergeben wollen, was mein Vater mir sicher schon hundertausendmal ans Herz gelegt hat: Mach zu Hause was und seien es nur zehn Minuten; mach Übungen mit Hütchen und Ball oder geh auf ein Kleinspielfeld und spiel zwei Stunden Fußball – da bekommst du die beste Übung, denn Spiele sind im Training eher selten. Ich habe das größtenteils befolgt und mache das auch immer noch. Täglich üben ist das A und O.
Bilder Markus Friedel
Birgits Fazit
Zu meiner ersten Frage „Wie bist du zum Fußball gekommen?“ hat mich Martina Voss-Tecklenburg inspiriert. Es war ein Test, Amber diese Frage zu stellen. Soll ich jetzt sagen „Test bestanden“, weil Amber bestätigt, dass Frauenfußball teilweise noch immer als etwas Exotisches angesehen wird? Voss-Tecklenburg (55) wird im Interview mit Matze Hielscher gefragt, ob sie glaubt, irgendwann eine Trainerin für die Herrennationalmannschaft zu erleben. Sie verneint. Was sie aber sagt, ist, dass es heute den Beruf der Fußballerin gibt. 50 Prozent der Spielerinnen in der Frauenbundesliga müssen zwar arbeiten gehen, alle müssen ihre duale Karriere planen, das hat aber in Voss‘ Augen den riesigen Mehrwert, dass Spielerinnen auch in anderen Bereichen tätig sind. Stimmt, sage ich, eine Fußballerkarriere endet in der Regel vor dem Renteneintritt – und dann? Insgesamt sieht Voss-Tecklenburg Fortschritte. Heute gäbe es männliche Fans, die mit Trikots ins Stadion kommen, auf denen weibliche Namen stehen. Amber wünsche ich, dass ihr Name in gar nicht so ferner Zukunft auf einem Trikot steht, dass ein männlicher Fan trägt. Und dass sie nie wieder gefragt wird „Wie bist du zum Fußball gekommen?“